Mein Melsbach
  Eigenleben
 



» Mein Fernseher lebt «



Ich hatte mir Anfang 2014 einen Plasma-Bildschirm zugelegt, einen mit allem Drum und Dran. Dabei hatte ich ein Schnäppchen gemacht, aber schon die Geschehnisse bei der Lieferung hätten mir eigentlich eine Warnung sein sollen.

Denn mein Fernseher lebt, d. h. er führt ein sehr seltsames Eigenleben, auf das ich keinen Zugriff habe. Ich habe sehr schnell feststellen müssen, dass es sich bei ihm um einen Nachkömmling des Computers aus dem Film „Nr. 5 lebt“ handeln muss, nur leider in verstärkter Fassung.

Zunächst einmal war als Lieferung vorgesehen „binnen 48 Stunden“. Tatsächlich dauerte es 5 Tage. Dann wollten sie an einem Samstagmorgen zwischen 07.00 Uhr und 10.00 Uhr kommen, ich bin extra früh aufgestanden, natürlich kamen sie erst kurz vor Mittag.

Und so zog sich das von Anfang an durch. Den Standfuß musste ich noch zusammen-bauen, eigentlich kein Problem, es waren 11 Löcher für Schrauben vorhanden, im Karton befanden sich jedoch nur 4 Schrauben, von denen eine einzige (!) passte. Der Touch-Pen war nicht mitgeliefert, das absolute „Highlight“ aber war, dass ein Netzteil beigelegt war, das für die USA bestimmt war und hier in Deutschland nicht funktioniert. Alles in allem habe ich den Fernseher 5 Tage lang nicht nutzen können, bis endlich alles beisammen war.

Nachdem endlich alle Teile beisammen waren, ging es ans Programmieren. Dafür gibt es normalerweise ein Handbuch, aber im modernen Zeitalter ja nicht mehr sondern Hilfe gibt es nur noch elektronisch. Und da wir ja in Deutschland leben, heißt es auch nicht mehr „Hilfe“ sondern schlicht und einfach „eHelp“.

Alleine das Lesen der „ehelp-Funktionen“ hätte mindestens eine Woche gedauert und außerdem enthielten die dortigen Hilfen (sorry „ehelp-Funktionen“!) wunderbare Erläuterungen, die mich direkt an so manchem zweifeln ließen. Bereits auf der allersten Seite stand diese geistvolle Erklärung: „Die Bilder in dieser ehelp dienen lediglich als Illustrationen“. Laut Wikipedia bedeutet Illustrationen: „das einem Text beigegegeben Bild, unabhängig von seiner Form oder Funktion“. Also bedeutete das im Klartext: „Die Bilder in dieser ehelp dienen lediglich als Bilder“. Eine klare und nicht zu widerlegende Feststellung von ungeheurem Ausmaß, so einfach und so voll toller Logik. Mich würde mal interessieren, warum diese wunderbare Klarstellung dort reingekommen ist, ob tatsächlich mal jemand die Bilder z. B. essen wollte?

Nun kamen schon meine ersten Zweifel, wer bei "ehelp" Pate gestanden hat. Die Fernsehindustrie, weil man von schlechten Fernsehern ablenken muss, die Programmgestalter wegen der schlechten Programme oder der Verband der verarmten Psychologen und Psychotherapeuten zwecks Kundengewinnung.

Der nächste Satz erweckte dann die größten Zweifel „Der Startbildschirm ist der Gateway zum Fernseher“. … Aha, vollkommen logisch, also: „Hallo Wikipedia, bin schon wieder da“. Die Eingangserläuterungen bei Wikipedia gingen ja noch, aber dann wusste ich nicht, ob man verar…wurde oder ich den MAD einschalten muss. Da hieß es doch wirklich „Dem Gateway ist dabei alles erlaubt, was zur Konvertierung der Daten notwendig ist, auch das Weglassen von Informationen. Im Detail werden sämtliche Protokollinformationen entfernt und durch andere ersetzt.“

Sehr fein umschrieben, warum schrieb man nicht einfach klar und deutlich „Ich (Flachbildschirm) wähle aus, was du (armer Nutzer) zu lesen bzw. zu sehen bekommst.“ Und so kam es dann auch. Ich musste schnell feststellen, dass ich wohl einen Nachkömmling aus diesem wunderbaren Film „Nr. 5 lebt“ erwischt habe, nur nicht so harmlos wie sein Urahne. Im Prinzip ist es bis heute so, dass der Bildschirm immer wieder neue Überraschungen parat hat und ein Eigenleben führt, auf das ich keinen Einfluss habe. Ist er einmal gut drauf, dann erfüllt er meine Wünsche, aber ansonsten bin ich meistens der Großzügige und gebe lieber nach.

Allerdings ist er auch manchmal sehr fürsorglich, denn wie sollte man es anders bezeichnen? Z. B. habe ich mir 2 Biathlon-Veranstaltungen aufgenommen. Am nächsten Tag wollte ich sie mir ansehen, aber er hatte sie nicht aufgenommen. Das war äußerst fürsorglich von ihm, denn so musste ich nicht 2 Stunden vor dem Bildschirm sitzen sondern konnte die Zeit viel effektiver zum Arbeiten nutzen.

Oft ist er auch sehr freundlich zu mir. Eines Tages informierte er mich darüber, dass er einen neuen Sender gefunden hat, den ich einspeichern sollte. Dummerweise hatte ich in der betreffenden Woche aber meine Termine nicht mit ihm vorher abgestimmt und so habe ich immer nur kurz angestellt, um etwas aufzunehmen, bevor ich weg musste. Da somit keine Zeit für die neue Senderwahl blieb, habe ich insgesamt fünfmal seinen Hinweis ablehnen müssen und das Einprogrammieren des neuen Senders verschoben.

Bei alledem aber hatte ich vergessen, dass er ja sehr „eigen“ ist, um es mal vorsichtig auszudrücken. Samstags hatte ich dann endlich Zeit, aber da schaltete er mal wieder, wie so oft, auf stur. Dieses Mal hatte er sich etwas komplett Neues ausgedacht. Er meinte wohl, wenn ich das von ihm angebotene neue Programm nicht haben will, dann brauche ich ja überhaupt keines. Also blieb der Bildschirm schwarz und es kam der wunderschöne Hinweis: Keine Sender gefunden.

Alles Zureden nützte nichts, er blieb stur. Das Ausprobieren sämtlicher Leitungen mit ein- und ausstöpseln, an den Kabel rütteln (vorsichtig natürlich) usw. brachte absolut nichts. Nachfragen bei Nachbarn brachten nur erstaunte Blicke, denn - es war ja nicht anders zu erwarten - natürlich hatten die sämtliche Programme. Warum auch nicht?

So vergingen dann etliche Stunden, auch ein komplettes Neuprogrammieren war nicht möglich, er zeigte mir ganz einfach die kalte Schulter. Gegen Abend zeigte er dann Erbarmen, aber er ist ja clever. Erbarmen zeigte er nur insoweit, dass nur eine grundsätzliche Neuprogrammierung möglich war. Damit aber war ich ja automatisch gezwungen, das neue Programm mit einzuprogrammieren und so hat er wieder einmal seinen Willen durchgesetzt.

Ich habe nun wieder alle Programme, nur nicht auf den Plätzen, wo ich sie hatte, denn er sortiert sie ja sowieso immer anders wie ich. Das war mir mal wieder eine Lehre und sollte er mir wieder ein neues Programm anbieten, so werde ich dieses künftig blitzschnell einprogrammieren, um ihn bloß nicht noch einmal zu verärgern.


Meine ganzen Erlebnisse mit ihm, dem Flachbildschirm, schildere ich immer mal wieder bei Facebook. Sie sorgen dort für viele Lacher und manch einer wartet schon sehnsüchtig auf die Fortsetzung.

Heinz-Willi Lemgen





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